Bonell als Maler und Sänger: Auszüge aus Ausstellungsbesprechungen und Kritiken

… Auch seine neuesten Arbeiten sind Variationen seines Leitmotivs: Leder und Haut. Leder zu Paketen verschnürt, wie Speckseiten aufgehängt, achtlos über Stühle geworfen, in Gefäße gewürgt…. Der Mensch wird reduziert auf die Kreatürlichkeit, sein Körper verzerrt, gehäutet und deformiert. Insofern reihen sich Bonells Lederhäute in die Verwischungen und Übermalungen eines Arnuf Rainer, die Vervielfachungen von Andy Warhol, die Verwandlungen von Cindy Sherman ein. Nur selten hat man den Eindruck, dass Fragen nach dem Körper, nach Innen und Außen räumlich so fassbar gemacht werden wie in Bonells Häuten, in die man wie zwischen Blut- und Nervenbahnen hineinzukriechen vermeint.

Heinrich Schwarzer „Mitten ins angstvoll zusammengezoge Herz“ (Tageszeitung 19. 04. 2000)

 

Warum wiederum das Bedürfnis sich durch Porträt oder Akt mitzuteilen? Inwiefern ergibt das einen Sinn, wo man doch längst geglaubt hatte, das Thema völlig überwunden zu haben. Und gerade jetzt? Vielleicht eine Reaktion, ein Verlangennach mehr als nur Kopflastigkeit. Der „Bauch“ fordert sein Recht, Intellekt allein genügt nicht (mehr). Das Zusammenspiel der Empfindungen und deren sichtbare Formerscheinungen sind komplexer und umfassender. Sinnlichkeit in allen ihren Erscheinungen rückt wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

So wie in der Oper der Text eine wesentliche Ausdruckskomponente, Bereicherung und auch Auslöser zur Musik sein kann, so ist für mich Figuration eine wesentliche und notwendige Ausdrucksmöglichkeit in der Malerei.

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit hat sich mir insofern nie gestellt, als dass ich das, was ich zu sagen habe, über die Figur sagen muss. Seit Anbeginn waren das Menschenbild – der Akt mein Thema, so zeitlos, weil der Mensch immer der selbe war und ist, so zeitgebunden, da (er) immer wieder aus einer bestimmten Zeit heraus entstanden ist.

Meine „Figur“, früher eingebunden in ein sozial-politisches Umfeld im Sinne der „Neuen Sachlichkeit“, später immer mehr für sich redend, identitätslos – indem immer torsohafter. Dazu inszeniertes schwarzes Leder, Haut, künstliche Formen – ambivalente Empfindungen hervorrufend – auch hier zeitlos und zugleich unserer Zeit verbunden. Verwundbar – geschmeidig – aggressiv – erotisch – sinnlich – missbraucht von Macht und Politik – Jugendsymbol.

In der Verbindung dieser beiden Aspekte der Figuration glaube ich meine zeitgemäße Form, meinen zeitentsprechenden Inhalt gefunden zu haben.

Körper, Haut – Inhalt und Hülle, Mensch – zeitlos berührend und doch so stark unserer Zeit verhaftet.

Gotthard Bonell Aus: Katalog Figuration- Edition Oehrli 1999/2000 by Ursula Blickle Zürich

 

….. Der Maler liebt es einerseits die verschiedenen Bildtypen miteinander zu mischen: so kombiniert er die nackte menschliche Figur gerne mit Objekten, aber auch mit Landschaften. Andererseits sind seine Früchte nicht nur Früchte, sondern spielen (auf mehr oder weniger erotische Weise) auf den menschlichen Körper an. Akte nehmen Positionen ein, die direkt an Gegenstände oder eben die bereits genannten Lederbündel denken lassen. Die Versuchung, die gerade von besonders naturgetreu gemalten Bildern ausgeht, ist die, dass man sich auf die Wiedererkennung bzw. Ähnlichkeit mit bekannten Gegenständen beschränkt. Die von Bonell gemalten Gegenstände sind – auch wenn sie sich manchmal der Identifizierbarkeit fast entziehen – für ihn zweifellos Bedeutungsträger; gleichzeitig hat er vor kurzem einmal geäußert, dass der Gegenstand nur dazu da ist, um überwunden zu werden. …..

Andreas Hapkemeyer „Zwetschgen als Akte“ Tageszeitung 22. 09. 98

 

 ….Ganz obsessiv, immer und immer wieder malt er „seinen“ ledernen Handschuh, allein und in der Landschaft, daneben Früchte und den Körper – verschnürt ihn, öffnet ihn, bricht ihn auf und haucht ihm sozusagen eine Seele ein. Denn der Umgang mit toten Dingen gewinnt bei Bonell eine ganz eigene Bedeutung. Seine Stilleben erzählen mehr als man sieht – und nie sind sie still, wie es der Begriff „Stilles Leben“ eigentlich will.

Immer umgibt seine Stilleben eine Aura des Geheimnisvollen, was auch damit zu tun hat, dass er die Welt in meist dunklen Tönen erzählt. Schwarz und grau, braun, grau beige und violett öffnen sie der Phantasie des Betrachters eine Welt in der es auch um Leben und Tod geht, Trauer, Liebe, um viel Erotik und viel Vergänglichkeit…….

emg „Eine Aura des Geheimnisvollen“ in: Dolomiten 26./27. 09. 98

Dass er ein Außenseiter in der modernen Kunstszene ist, wird niemand bestreiten. Aber vielleicht lebt die Kunst der Moderne gerade von ihren Außenseitern. …. Wieder sind es Gemälde und Zeichnungen, weil Bonell durch und durch Maler ist. Natürlich ist er auch Zeichner und zwar einer, der sein Fach fast altmeisterlich beherrscht. Er ist einer der an die Kraft der Farbe glaubt, an das klassische Bild. Er ist ein zeitgenössischer Künstler, der mittels seiner Kunst auch ein Interesse für vorangegangene Formen verteidigt. Er setzt mit seiner Malerei Traditionen fort, die er genau kennt. ….. Bonell liebt es zu verbergen, verhüllen. Einwickeln, auswickeln, anziehen und ausziehen: all dies sind seine Prozesse der Verwandlung, der Irritation. Aus Wenig kann Viel werden, aus Klein Groß, aus Bunt Schwarz und umgekehrt. Dadurch bewirkt Bonell auch Irritation beim Betrachter. Er inszeniert seine Bündel neuerdings auch in Räumen, die durch ein abstraktes Spiel mit den Flächen den Blick erweitern. … So inszeniert Bonell Welten, wo die Gefühle der Betrachter in Bewegung geraten, Sehnsüchte vielleicht, Reflexionen über Verfall und Vergänglichkeit, Lust und Leid. … auch wird man den Eindruck nicht los, seine leblosen Hüllen erhebe er zu seinen Modellen: hochsensibel, exzentrisch gefährdet – je nach Arrangement spürt er Hinter- und Untergründe auf. …

Eva Gratl (emg) „Die Maske für ein anderes Bild“in: Dolomiten 15/16. April 2000

…. Die täuschend echte Darstellung von Leder, aber auch von menschlicher Haut, Fell, Stoff usw. vermittelt verschiedene optische Erfahrungen (und am Weg über das Auge auch haptische Erfahrungen). Die über die Malerei vermittelten Sensationen, Erinnerungen, Vorstellungen, die sich auf keine anderen Weg als auf diesem mitteilen lassen, handeln auf zeitgenössische und reflektierte Weise von einem heutigen stark erotisch gefärbten Lebensgefühl. Es ist kein Zufall, dass Bonell auch mit Werken an der derzeit im Rupertinum in Salzburg laufenden Ausstellung über den Akt im 20. Jahrhundert vertreten ist.

Andreas Hapkemeyer „Erotisch gefärbtes Lebensgefühl“ in: Dolomiten 1./2. August 1998

… Die Malerei stellt sich als Schule der Langsamkeit dem schnellen Bildverschleiß der Massenmedien entgegen. Der aufwendige Malakt wird zum Luxus ein einer Zeit, wo nichts mehr schnell genug gehen kann …. Da heißt es, man wolle der Kunst ihre Sinnlichkeit zurückgeben, als wieder „mehr Bauch statt zuviel Kopf“ (Bonell) Dieser Beweis ist angesichts der Exponate nicht schwer zu erbringen.

Edith Moroder „Rückkehr zum Menschenbild“ Z-Die Zeitung am Sonntag 19. Dezember 1999

 

… Bonells Portraits dokumentieren einen Künstler bei der Erprobung eines gefährdeten Genres, aber nicht auf dem Feld der Thematik ´Photographie und Portaitkunst´, sondern im Schatten der Portraitkunst des XX. Jahrhunderts und das sind dann gerade die zutiefst malerischen und provokanten Künstler, die ihn reizen und herausfordern. Bonell experimentiert, indem er etwa die Formalfrage in der Nachfolge des Hyperrealismus für sich durchspielt, er läßt sich aber genauso, so scheint es von den Romantikern des 19. Jahrhunderts inspirieren. Wollte man einen heute verfügbaren Begriff bemühen, könnte man von einem postmodern Vorgehen sprechen; freilich, Bonell füllt diese jeweiligen Positionen voll aus. Dies bedeutet auch größte Intensität und Auseinandersetzung. Man spricht davon, daß Portraits in der Regel mehr über den Portraitierten den über den Portraitierenden aussagen. Dieser Satz läßt sich jedoch auch umdrehen. Für Bonell ist das Portrait eine intensive Auseinandersetzung mit seinem Gegenüber, ein Akt der Kommunikation, der Zuneigung und Abstoßung spiegelt und mit einschließt. …

Peter Weiermair, 1984 im Katalog der Galerie Prisma, zitiert in: Das Fenster Tiroler Kulturzeitschrift Nr. 66

Ein singender Künstler und ein zeichnender Musiker – ein dickes Büchlein und ein dünnes Scheibchen, Musik und Kunst in einem Projekt: Gotthard Bonell (Bariton) und Antonio Ballista (Klavier) haben zusammen eine CD mit Liedern, Balladen und Arietten von Beethoven, Bellini, Loewe und Schubert herausgegeben. Auch die Gestaltung des Beiheftes haben beide gemeinsam bestritten: Radierungen von Bonell und Ballista als optische Begleitung für die Musik von Bonell und Ballista, gewohnt raffiniert, dicht und hautbezogen die einen, fast naive luftspendende Landschaften die anderen, beide beseelt von stiller Feierlichkeit des Alltags. …

… Bonell singt fast „volksliedhaft“, ohne Pathos auch ohne jede emphatische Übertreibung, die so oft zu hören ist. Er kommt somit dem Geiste Schuberts nahe, der seine Lieder nicht für große Konzertsäle, sondern für private Räume geschrieben hat. Wo zu große Mühe darauf gegeben werden muß, alle Zuhörer zu erreichen, wird Schubert leicht zu laut und zu steif interpretiert, zu sehr von spätromantischer Sichtweise geprägt. Bonell und Ballista hingegen liefern eine flexible, leichtfüßige Interpretation. …

Matteo Taibon „Federstrich und Note“ FF- Südtiroler Wochenzeitschrift 07. Dezember 2000

 

… Welchen Stellenwert hat das Singen heute für Sie? Singen ist eine Notwendigkeit, es ist eine direkte Verbindung zum Publikum, ein direkter Dialog mit anderen Menschen. Wenn man das Gefühl hat, das gelingt – nicht immer aber ab und zu gelingt es– das ist das Schönste, was passieren kann. In dem Moment bin ich ein Vermittler zwischen den Jahrhunderten. …

Warum haben sie als Titel „Irrlichter“ gewählt, warum nicht „Winterreise“? „Irrlicht“ ist ein Titel aus einem Lied von Schubert, hat aber viel mit Malerei zu tun. Irrlicht ist eigentlich ein schönes Wort. Ich kann mir vorstellen, daß sich manche fragen werden, wo ist das Licht? Auch das muß man im übertragenen Sinne sehen. Irrlicht ist Licht und Täuschung – eines der Schlüssellieder ist für mich „Täuschung“: das typische Lied, wo man -schon dem Ende der Winterreise zu – einen Moment lang aufatmet, wo man meint es ist schön und fröhlich, und dann ist alles eine Täuschung….

Michaela Heissenberger „Licht und Täuschung“ in FF Südtiroler Wochenzeitschrift1. Februar 97